Im Jahr 2022 endete die langjährige Phase der Negativzinsen. Mit der kräftigen Rückkehr der Inflation (auf 3.4% in der Schweiz im Februar 2023 gegenüber dem Vorjahresmonat) erhöhte die Schweizerische Nationalbank vier Mal den Leitzins. Im Zuge des Zinsanstiegs wird auch der Referenzzinssatz zum ersten Mal seit seiner Einführung 2008 ansteigen.

Von den Zinsanstiegen stark betroffen ist auch die Wohnbauproduktion. Neben den attraktiveren Anlagealternativen erhöhen sie auch die im Bauprozess oftmals bedeutsamen Fremdkapitalkosten. Hinzugekommen ist ein kräftiger Anstieg der allgemeinen Baupreise. Das Resultat sind erhöhte Investitionskosten pro Objekt und weniger gebaute Wohnungen.

Angesichts einer gleichzeitig hohen Wohnraumnachfrage erhält das Thema Wohnungsknappheit bei steigenden Mieten aktuell eine grosse mediale Aufmerksamkeit. Der politische und gesellschaftliche Druck auf Städte und Gemeinden, bezahlbaren Wohnraum in ausreichender Menge bereitzustellen, steigt damit weiter an.

Ein zunehmend verbreitetes, strategisches Handlungsinstrument der Bodenpolitik für Städte und Gemeinden ist die Vergabe von Grundstücken im Baurecht. Mehr zur Funktionsweise des Baurechtsvertrags finden Sie weiter unten.

Die zuletzt gestiegenen Zinsen und die aktuell hohe Ungewissheit beeinflussen zweifelsohne die Entscheidungen auf dem Immobilienmarkt. Bei einem Vertragsabschluss über mehrere Jahrzehnte, wie es bei einem Abschluss eines Baurechtsvertrages der Fall ist, ist die Festlegung der Vertragsparameter besonders wichtig.

Die Anpassungsmechanismen des Baurechtszinses stellen in einem Baurechtsvertrag oft die einzigen Parameter einer Anpassung an veränderte Marktbedingungen dar. Sie sind damit oft die einzige Möglichkeit, um einen langfristigen ausgewogenen Vertrag zwischen Baurechtsgeber:in und Baurechtsnehmer:in anzustreben.

Der Baurechtszins in Zeiten steigender Zinsen – ein Beispiel

Bei den meisten Baurechtsverträgen wird der Baurechtszins mit einer Verzinsung des Baulandes, mit einer Verzinsung der Erträge, oder einer Kombination davon definiert. Um die Wirkungszusammenhänge zwischen dem Baurechtszins und dem aktuellen Marktumfeld beispielhaft zu veranschaulichen, soll ein stark vereinfachtes Baurechtsverhältnis gelten:

Der Baurechtszins wird als ein prozentualer Anteil des Landwertes festgelegt. Als Basis für den Baurechtszins dient ein Referenzzinssatz (zum Beispiel der Hypothekarische Referenzzinssatz des Bundesamts für Wohnungswesen (BWO), welcher im Frühling 2023 bei 1.25% liegt) zuzüglich eines immobilienspezifischen Risikozuschlags (z.B. von 2%) was einem Baurechtszins von 3.25% des Landwertes entspricht.

In unserem Beispiel gehen wir von einem Landwert von CHF 10 Mio. und einem entsprechenden Baurechtszins von CHF 325’000 p.a. aus.

Während der Laufzeit des Baurechts kann der anfängliche Baurechtzins im Beispiel wie folgt angepasst werden:

  • Anpassung an dem sich ändernden hypothekarischen Referenzzinssatz des BWO (bspw. alle 10 Jahre)
  • Anpassung zu 100% an die Entwicklung des LIK (bspw. jährlich)
  • Anpassung an die Landwertentwicklung (bspw. alle 10 Jahre)

Voraussichtlich im Juni 2023 soll der hypothekarische Referenzzinssatz auf 1.5% angehoben werden. Dies bedeutet wiederum, dass – wenn der Baurechtszins in unserem Beispiel von 3.25% auf 3.5% des Landwertes steigen wird – der Baurechtszins von CHF 325’000 auf CHF 350’000 p.a. bzw. um 8% ansteigen wird.

Der LIK wiederum hat sich im Vergleich zum Vorjahresmonat um 3.4% erhöht. Da der Baurechtszins in unserem Beispiel zu 100% an den LIK angepasst werden kann, würde der Baurechtszins von mittlerweile CHF 350’000 p.a. weiter auf CHF 361’900 p.a. steigen, was gegenüber dem Anfangs-Baurechtszins eine Steigerung von bereits 11% bedeutet.

Die dritte angesprochene Grösse im vorliegenden Beispiel ist der Landwert. Die Diskontsätze sind gemäss Auswertungen von Wüest Partner erstmals wieder leicht angestiegen, allerdings nicht so stark wie der Hypothekarzinssatz. Trotz einer gewissen Zurückhaltung am Transaktionsmarkt sind die Landwerte unter Druck.

Wenn wir im Anschauungsbeispiel nun von einem leicht tieferen Landwert ausgehen (Annahme, -5%), würde der Baurechtszins wieder etwas tiefer ausfallen als nach dem Effekt 2, aber noch immer höher ausfallen als in der
Ausgangslage.
Angesichts der Unsicherheiten und Marktbewegungen ist die Ausgestaltung des Anfangsbaurechtszinses und der Baurechtszinsanpassungen (Zinssatz, zugrundeliegender Landwert oder Ertrag) je nach Baurechtsmodell in Zeiten steigender Zinsen entscheidender denn je, um die Marktrisiken nicht einseitig auf die eine oder die andere Partei abzuwälzen und diese korrekt zu bewerten. Hier gilt es daher angemessene und fallgerechte Baurechtsmodalitäten zu verhandeln. Angesichts der Dringlichkeit und der erwähnten Wohnungsnot in den Zentren ein Unterfangen, das politisches Feingefühl und immobilienökonomisches Fachwissen erfordert.

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Baurecht als ausgewogener Vertrag

Das Baurecht stellt vereinfacht metaphorisch gesprochen «den Verkauf eines Grundstücks auf Zeit» dar und unterliegt rechtlich Art. 779ff des ZGB. Ein Grundstück kann mit einer Baurechts-Dienstbarkeit belastet werden, was einer öffentlichen Beurkundung zur Eintragung im Grundbuch bedarf. Die Baurechtsdauer kann für mindestens 30 und höchstens 100 Jahre vereinbart werden, wobei eine spätere Verlängerung nicht im Voraus vereinbart werden kann. Als Gegenleistung für die zur Verfügungstellung des Bodens wird in der Regel die Bezahlung eines Baurechtszinses vereinbart. Beim Heimfall leisten Grundeigentümer:innen den bisherigen Bauberechtigten eine angemessene Entschädigung für die heimfallenden Bauwerke. Weitere Bestimmungen (Dauer, Verlängerungsoptionen, Heimfallregelung, Indexierung und Anpassungsmechanismen) unterliegen der Vertragsfreiheit zwischen Baurechtgeber:in und Baurechtnehmer:in.

Die Motivation und Vorteile der Baurechtgeber:innen, z.B. einer öffentlichen Stadt oder Gemeinde, liegen darin, dass sie das Grundstück in Wert setzen können, ohne direkt zu investieren, dass sie Einfluss auf die Nutzung nehmen, einen strategischen Standort langfristig halten sowie politische Ziele (z.B. «erschwinglicher Wohnraum») verfolgen können und nach Ende des Baurechts ihr Grundstück wieder zur Verfügung hat.

Die Baurechtnehmer:innen wiederum können sich das Grundstück, z.B. an einer begehrten Lage, sichern, können dieses während der Baurechtsdauer in Wert setzen und erhalten eine Entschädigung für die unternehmerische Leistung, wobei sie aufgrund der Risiken und Komplexität eine leicht höhere Renditeanforderung haben.

Die Ausgestaltung eines Baurechtsvertrags erscheint zunächst einfach. Die metaphorische Tonalität der Musik kann dabei auf den Landwert oder den Mietertrag als massgebende Grösse zur Bestimmung und Anpassung des Baurechtszinses abstützen. Das spezifische und gemeinsame Zusammenspiel der einzelnen Vertragsparameter ergibt jedoch das Orchester und dessen Symphonie, die gut abgestimmt oder unharmonisch-befremdlich klingen kann.

Idealerweise ist der Baurechtsvertrag zum Zeitpunkt des Abschlusses eine möglichst gut austarierte Abgabe von Bauland zwischen Baurechtsgeber:in und Baurechtsnehmer:in. Die wesentlichen Parameter Baurechtszins, Dauer und Heimfall sind dabei im Idealfall in ein ökonomisch sinnvolles Gleichgewicht zu bringen.

Während der Vertragsdauer können Marktentwicklungen jedoch das anfängliche Gleichgewicht verschieben. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn die Erträge der Baurechtsnehmer:innen aufgrund einer Marktentwicklung sich bei gleichbleibendem Baurechtszins verändern (oder auch umgekehrt). Anpassungsklauseln im Baurechtsvertrag können das Verhältnis während des Baurechtsvertrages wieder in Richtung des ursprünglich vereinbarten Gleichgewichts verschieben.

Mehr Informationen über Baurechte finden Sie in der Publikation «Wüest Partner AG (2017). Baurecht unter der Lupe. Schlussbericht. Bundesamt für Wohnungswesen, Grenchen.“

Autoren: Manuel Fernandez, WüestPartner / Mario Huber, WüestPartner / Jörg Schläpfer, WüestPartner

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