Die Standortentwicklung ist im Wandel. Nebst dem immer härter werdenden Konkurrenzkampf zwischen den Regionen um Unternehmen, Kapital und Arbeitskräfte, dem schwindenden Spielraum bei der Steuerpolitik (siehe OECD-Mindeststeuer-Initiative) sind Gemeinden, Kantone oder Regionen auch mit ganz neuen Herausforderungen konfrontiert.
Standortentwicklung ist nicht mehr nur Wirtschaftsförderung. Es geht um die Entwicklung des Standortes als Ganzes. Es geht um Menschen, ihre Bedürfnisse und deren Partizipation in der Gemeinde, um Unternehmen und Arbeitsplätze, um die Infrastruktur, die Modernisierung und Digitalisierung der Verwaltung, aber auch um Freizeit-, Sport-, oder Kulturangebote.
Neue Fragen für die Standortentwicklung
Für die Standortentwicklung ergeben sich neue Fragestellungen:
- Wie kann der Standort von der fortschreitenden Digitalisierung profitieren?
- Wie muss die Infrastruktur weiterentwickelt werden, um neue Mobilitätsbedürfnisse oder demografische Entwicklungen aufzufangen?
- Was braucht es, damit ein Standort insgesamt ökologischer wird?
- Wie kann der Dialog zu Bürgerinnen und Bürgern neu gedacht werden?
- Was braucht es, damit alle gesellschaftlichen Gruppen an der Entwicklung teilhaben können?
- Wie bleiben die öffentlichen Verwaltungen auch im 21. Jahrhundert handlungsfähig?
- Und zu guter Letzt: Wie bleibt die Gemeinde nachhaltig attraktiv und wahrt sich den Handlungsspielraum um die Zukunft gestalten zu können?
Neue Aufgaben für die Standortentwicklung
Die Standortentwicklung wird diese Fragen nicht im Alleingang lösen können. Diese Herausforderungen können nur gemeinsam, an der Schnittstelle von Verwaltung, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, angegangen werden. Sie bedingt, systemisch zu denken und zu handeln, um Lösungsansätze für komplexe Problemstellungen wie Klimawandel, demografischer Wandel oder technologische Disruption zu finden.
Eine Verwaltung wird beispielsweise nicht digitaler, nur weil neue Techniken (z.B. Chatbot, Websites oder Dashboards) installiert werden. Vielmehr geht es darum, die Vielschichtigkeit eines Themas zu erkennen, Prozesse neu zu denken, die richtigen Fragen zu stellen, Dialoge zu initiieren, Akteurinnen und Akteure zu vernetzen, und Projektumsetzungen zu koordinieren.
Die zukünftige Rolle der Standortentwicklung besteht folglich darin, die Rahmenbedingungen für systemische Innovation zu schaffen.
Systemische Innovation
Systemische Innovation bedeutet, ganzheitlich zu denken und zu handeln, verschiedene Akteurinnen und Akteure an einen Tisch zu bringen, aber auch Menschen und technische Möglichkeiten zu vernetzen. Dabei geht es darum, die Interaktionen im System «Standortentwicklung» auf ein gemeinsames Ziel, einen gemeinsamen Wert oder ein Problem auszurichten, im Wissen, dass sich verschiedene Elemente gegenseitig beeinflussen.
Die Aufgaben der Standortentwicklung in solch systemischen Innovationsprozessen sind mannigfaltig. Die Standortentwicklung kann Veränderungen anstossen, monitoren oder evaluieren, Netzwerke bilden, Rahmenbedingungen und Plattformen schaffen, Dialoge und Diskussionen initiieren, aber auch praxisnahe Reallabore installieren. Auch ausländische Smart City-Initiativen, die schon heute meist bei der Standortentwicklung angesiedelt sind, gehen in diese Richtung (siehe bspw. Smart City-Amsterdam).
Systemisches Modell für die Standortentwicklung
Um systemische Innovation gezielt zu imitieren oder zu begleiten, braucht es ein gemeinsames Verständnis vom System «Standortentwicklung». Ein solches Modell haben wir aus einem Netzwerk von Wissenschaft, Beratung und innovativen Start-Ups entwickelt. Ein Modell, welches die Standortentwicklung fassbar und analysierbar macht. Ein Modell, welches hilft, gezielte Innovation zu initiieren, umzusetzen und zu evaluieren.
Das Modell verfolgt einen systemischen Ansatz. Systemisch bedeutet, eine ganzheitliche und vernetzte Sicht auf die Standortentwicklung einzunehmen. Im Zentrum des Modells steht die Verwaltung und Politik als moderierende Kraft, eingebettet in die grossen Trends des 21. Jahrhunderts: Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Technologie und Inklusion.
Durch die Linse dieser Trends beeinflusst, steuert oder evaluiert die Verwaltung vier entscheidende Entwicklungsfelder der Zukunft: Die Raum- und Siedlungsentwicklung, die Menschen und ihr Leben, Image und Identität des Standorts sowie Arbeit und Wirtschaft.
Modell als Entwicklungsgrundlage
Die zukünftige Rolle der Standortentwicklung besteht darin, die Rahmenbedingungen für systemische Innovation zu schaffen. Aus einem Netzwerk von Wissenschaft, Beratung und innovativen Start-Ups haben wir ein Modell entwickelt, welches die Standortentwicklung fassbar und analysierbar macht. Ein Modell, welches hilft, gezielte Innovation zu initiieren, umzusetzen und zu evaluieren.
Das Modell dient als Grundlage, ein gemeinsames Verständnis über die Entwicklungsfelder des Standorts der Zukunft zu schaffen, Akteurinnen und Akteure zu vernetzen und systemische Innovation zu initiieren oder zu tracken. Das Modell richtet sich an Gemeinden, Kantone und Regionen, an Standortförderinnen und Standortförderer, Smart-City-Verantwortliche, Stadtplanerinnen und Stadtplaner, Gemeindeschreiberinnen und Gemeindeschreiber, Stadtschreiberinnen und Stadtschreiber oder auch Leiterinnen und Leiter Finanzen.
Autor: Kevin Andermatt, ZHAW