Vom Verwalten zum Mitgestalten: Regionale Entwicklung bedingt in Innovationsnetzwerken zu denken, und diese auf ein gemeinsames Ziel auszurichten. Die Standortentwicklung übernimmt die Rolle als regionale Innovationsplattform. Eine solche Plattform benötigt ein Steuerungsmodell, das auf systemische Innovation ausgerichtet ist. Nachfolgend diskutieren wir die sechs wichtigsten Handlungsfelder. Diese Handlungsfelder basieren auf der aktuellen Forschung zu systemischer Innovation (vgl. bspw. Mazzucato, 2018).
Sechs Handlungsfelder für die regionale Entwicklung
Handlungsfeld 1: Gemeinsame Ziele entwickeln
Systemische Innovation bedingt gemeinsame Ziele und die Bereitschaft, diese Ziele auch systemisch anzugehen. Dies bedingt zuallererst, dass die Akteurinnen und Akteure diese Ziele partizipativ entwickeln, und somit unterschiedliche Perspektiven in den Formulierungsprozess einfliessen. Dabei dürfen diese Ziele ambitiös formuliert sein. Wichtig ist, dass sie spezifisch formuliert sind, um sie anschliessend auch evaluieren zu können. Diese Ziele können sich beispielsweise an den UN-Nachhaltigkeitszielen (SDGs) orientieren oder regional-spezifische Problemstellungen adressieren. Bereits heute werden solche Ziele in Form regionaler Entwicklungsziele oder Legislaturziele gesetzt. Sie bilden auch für systemische Innovation den Ausgangspunkt. Ein Beispiel für ein solches systemisches Innovationsziel am Beispiel des SDG-Ziel 16 wäre:
Friedliche und inklusive Gesellschaften für eine nachhaltige Entwicklung fördern (SDG Ziel 16)
Unsere Gemeinde fokussiert sich auf die Reduktion der Jugendkriminalität, die eine besondere Herausforderung in unserer Region darstellt.
- Ziel: Die Jugendkriminalität wird bis im Jahr 2030 um 40 Prozent reduziert.
Handlungsfeld 2: Innovationslandkarte erarbeiten und verstehen
Die Erreichung dieses Ziels hängt von verschiedenen Themenfeldern und Akteurinnen und Akteuren ab. Spätestens hier beginnt das systemische Denken. Statt sich auf einen Teilaspekt des Zieles zu fokussieren, soll die Perspektive geweitet und untersucht werden, welche Aspekte bzw. Bereiche mit dem Ziel in Verbindung stehen. Probleme, die zu Jugendkriminalität führen sind wissenschaftlich gut belegt: Alkohol- und Drogenprobleme, Jugendarbeitslosigkeit oder mangelnde gesellschaftliche Integration der Betroffenen.
Verschiedene Akteurinnen und Akteure sind in dieses Innovationsziel mit einzubeziehen: Polizei, Justiz, Sozialdienst, Schulen, lokale Vereine und Wirtschaft, aber auch Nachbarsgemeinden. Es gilt zu verstehen, welche Werte, Kompetenzen und Instrumente diese Akteurinnen und Akteure haben, und wie diese zur Zielerreichung eingesetzt werden können. Weiter empfiehlt es sich, die bereits bestehenden Beziehungen zwischen diesen Akteurinnen und Akteuren genauer zu analysieren.
Am Ende dieses Prozesses kann eine sogenannte Innovationslandkarte stehen, in der ersichtlich wird, welche Bereiche, welche Akteurinnen und Akteure und welche Interaktionsmuster aktuell in einem Zusammenhang mit dem gesetzten Ziel stehen.
Handlungsfeld 3: Innovationsbereitschaft wecken
Sobald die Innovationslandkarte erarbeitet wurde, gilt es die identifizierten Akteurinnen und Akteure in den relevanten Bereichen zusammenzubringen. Es gilt also, Polizei, Justiz, Sozialdienst, Schulen, lokale Vereine und Wirtschaft auf das Ziel «Reduktion Jugendkriminalität» auszurichten.
Zusammen mit diesen Akteurinnen und Akteuren wird schliesslich die systemische Innovation für die Erreichung der gesetzten Ziele umgesetzt. Es ist deshalb von grosser Wichtigkeit, dass diese Akteurinnen und Akteure ein gemeinsames Verständnis über die Ziele, die darunterliegenden Problemstellungen und über die diversen Beziehungen entwickeln.
Was es braucht, ist ein geteiltes Bewusstsein dafür, was gemeinsam erreichbar ist. Es geht somit nicht zuletzt auch um ein kooperatives Erwartungsmanagement, eine gezielte Beziehungspflege und eine gemeinsame Sinnstiftung. Bei diesen Aufgaben kann die Standortentwicklung die Initiative übernehmen. Am Ende dieses Prozesses kann z.B. eine gemeinsame Absichtserklärung stehen, in der die Ziele in eigenen Worten nochmals wiedergegeben und die geplanten Leistungen des Netzwerkes zur Zielerreichung dargelegt werden.
Handlungsfeld 4: Innovationsressourcen bereitstellen
Damit das Akteurinnen und Akteurs-Netzwerk das Innovationsziel vorantreiben kann, braucht es Innovationsressourcen. Dazu gehören finanzielle Ressourcen, Infrastruktur, Know-how, aber auch die Schaffung von Regulierung und Spielregeln zur Förderung von regionaler Innovation.
Im simplen Fall spricht die Gemeinde ein mehrjähriges Budget für das Innovationsziel. Dabei ist zu klären, welche Akteurinnen und Akteure in welchem Masse am Innovationsbudget partizipieren, und welche Massnahmen und Projekte gefördert werden.
Möglich sind aber auch bestimmte Infrastrukturleistungen, beispielsweise wenn die Gemeinde ein Gebäude für einen neuen Jugendtreff zur Verfügung stellt. Weiter kann die Gemeinde Know-how zur Verfügung stellen, um Innovationsprojekte zu beraten und zu begleiten. Allenfalls muss die Verwaltung auch gesetzliche Grundlagen schaffen, um bestimmte Innovationsprojekte zu ermöglichen.
Handlungsfeld 5: Innovationsmassnahmen und Projekte koordinieren
Sind die Ziele und Verantwortlichkeiten klar, die Akteurinnen und Akteure bereit und vernetzt, geht es an die Umsetzung der Innovationsmassnahmen und Projekte: Es wird ein neuer Jugendtreff gebaut, Präventionsmassnahmen gegen Alkohol- und Drogensucht werden gestartet, ein neues Integrationsprogramm mit der lokalen Wirtschaft wird lanciert.
Das Wichtigste: Alle diese Projekte und Massnahmen müssen koordiniert werden. Im optimalen Fall übernimmt die Verwaltung bzw. die Standortentwicklung diese Rolle. Nur so können die Projektsynergien optimal genutzt werden, um das Entwicklungsziel zu erreichen.
Handlungsfeld 6: Ziele evaluieren
Systemische Innovation ist nicht zuletzt ein Lernprozess. Die oben genannten Aktivitäten sind entsprechend auch nicht als lineare Handlungsanweisung zu begreifen. Vielmehr sind sie Teil eines Kreislaufs und im Idealfall über Feedback-Schlaufen miteinander vernetzt. Über diese Feedbackschlaufen zwischen Analyse, Ausrichtung, Befähigung und Innovation finden die eigentlichen Lernprozesse z.B. in Form von Wirkungsevaluationen statt, welche die jeweiligen Aktivitäten über Zeit optimieren und so die regionale Entwicklung stetig in Richtung der gesetzten Ziele weiterbringen – von der Innovation zur zielgerichteten Transformation des Standorts.